Historie

Die Klosterapotheke von Weyarn

Das Augustinerchorherrenstift Weyarn wurde im Jahre 1133 von Graf Sigeboth I. von Neuburg gegründet. Bei einem großen Brand im Jahre 1236 wurden die Klostergebäude fast völlig zerstört und erst nach hundert Jahren wieder aufgebaut. Da alle Urkunden verbrannten, kann eine Klosterapotheke vor dieser Zeit nicht nachgewiesen werden. Man darf aber mit großer Sicherheit annehmen, dass es wie in jedem anderen Kloster auch in Weyarn eine Apotheke gab. Einen Hinweis darauf liefert das handgeschriebene Arzneibuch, sign. "Convent Weyarn" aus dem Jahre 1549/50, das aus drei Teilen besteht. Die ersten beiden Teilabschnitte enthalten Rezepte für Medikamente, magische Wundermittel und Segenssprüche, z.B. Wurm- und Wundsegen zur Behandlung von Tieren. Der dritte Teil bezieht sich auf die Behandlung von Menschen. Die hier aufgeführten Medikamente stammen zum größten Teil aus der "Dreckapotheke". Bei Wassersucht wird z.B. empfohlen: "nimm zwei oder drei Frösche zu Pulver gebrannt, davon etlichemal in Zimmet und Wasser eingenommen...".

Gegen Zahnweh sollte dieses Rezept helfen: "nimm zwei oder drei Elefantenläus, solche aufhänge auf das Genick...". Über die Apotheke selbst wird in diesem Buch jedoch nichts berichtet. Die Existenz einer Klosterapotheke ist erst eindeutig nachweisbar zur Zeit des Probstes Augustinus Hammel (1753-1765). Er richtete den Seminarstock, auch Peterstock genannt, neu ein und eröffnete dort eine Apotheke.* Zu dieser gehörten ein Laboratorium, ein Kräuterzimmer, ein Apothekenkeller, ein Apothekenzimmer und die Apotheke selbst. Heute befindet sich im Peterstock der Pfarrhof von Weyarn. Zuletzt leitete der in das Kloster als Bettelmönch eingetretene Franziskanerpater Cosmas Knöferl aus Landsberg die Apotheke. Der Pater stammte vielleicht aus einer Apothekerfamilie, denn sein Namenspatron Cosmas ist zusammen mit Damian der Schutzheilige der Apotheker. In der Säkularisation wurde das Kloster Weyarn aufgelöst und sein weitreichender Landbesitz versteigert. Am 13. November 1803 kaufte der Apothekenprovisor Johann Baptist von Kronach aus Rosenheim das gesamte Mobiliar, die Bücher, Medizinalvorrichtungen und alles, was zur Klosterapotheke gehörte, zum Preis von 345 Gulden.


Die Verlegung der Weyarner Klosterapotheke nach Miesbach

Nachdem Johann von Kronach die Prüfung zum approbierten Apotheker abgelegt hatte, erwarb er am 3. Juli 1804 die Realgerechtigkeit, d.h. das an Ort und Person gebundene Privileg, die Weyarner Apotheke nach Miesbach zu verlegen. Am 1. September 1808 kaufte er das Haus des bürgerlichen Glasermeisters Aloys Birner (Nr. 100; heute Glaserei Allgäuer im Heimbucherwinkel) samt Kräutergarten um 1.500 Gulden.

Er richtete hier die Apotheke ein mit dem Mobiliar aus der Weyarner Klosterapotheke. 1811 erwarb er zusätzlich einen Kräutergarten am "Gschwendt" (auf dem Friedhofsberg) um 14 Gulden. Kronach, der von 1804 bis 1830 Apotheker in Miesbach war, besaß eine umfangreiche Arzneibüchersammlung, von der noch einige Exemplare mit Familienwappenexlibris im Stadtarchivaufbewahrt werden. Am 1. September 1830 wurde die Apotheke samt Einrichtung für den Preis von 12.000 Gulden an den Apotheker Karl Pfändler aus München verkauft, der sie bis 1837 führte. Pfändler war in den Jahren 1833-1836 Gemeindevorsteher, wa~ damals dem heutigen Amt eines Bürgermeisters entsprach. Leider sind über die beiden ersten Apotheker von Miesbach, Kronach und Pfändler, keine Dokumente erhalten geblieben, die Auskunft über ihre Persönlichkeit und Tätigkeit geben könnten. Am 31. Juli 1837 kaufte Franz Xaver Kuttner, Landrichter in München, seinem Sohn Max für den Preis von 18.000 Gulden die Apotheke. Im gleichen Jahr heiratete Max Kuttner Monika Huber, die 7 .200 Gulden mit in die Ehe brachte. Maximilian Eduard Kuttner war 1812 in Braunau am Inn geboren; er hatte die Gymnasien in Salzburg und Rosenheim besucht, in München studiert und an der Universität 1835 die Prüfung zum approbierten Apotheker vor dem "Königlichen Medizinalkomitee" mit der Note "ausgezeichnet" bestanden. Wie Pfändler hatte auch Kuttner das Amt des Gemeindevorstehers inne (1836-1855) Von 1855 an war er Wahlmann für den Bayerischen Landtag.


Der Umzug ins Priesterhaus

Am 23. April 1846 erwarb Max Kuttner das ehemalige Priesterhaus, das damals im Besitze des Königlichen Advokaten Andreas Grabinger war, um 5.600 Gulden und verlegte seine Apotheke in dieses Gebäude. Der Markt Miesbach war im 17. und 18. Jahrhundert ein bedeutender Wallfahrtsort, den jährlich an die 30.000 Pilger aufsuchten.

Um die Pilgerscharen ausreichend mit Geistlichen betreuen zu können, gründete man im Jahre 1722 das "Priesterhaus zum hl. Petrus". Nachdem der große Brand von Miesbach 1783 das Haus völlig zerstört hatte, baute man es zwar wieder auf, doch verlor es mit dem Rückgang der Wallfahrt rasch seine Bedeutung. Nur noch einige alte Paramentenschränke im Gebäude erinnern heute an die geistliche Vergangenheit des Hauses.

Im Februar 1861 erwarb Max Kuttner das Frühmesseranwesen (Benefiziatenhaus) in Holzkirchen. Er richtete dort eine Filialapotheke ein, die von dem Apothekenprovisor Carl Strobler geleitet und bereits sechs Jahre später an ihn verkauft wurde.

Kuttner starb am 23.6.1871. Seine Frau Monika verkaufte die Apotheke und verteilte das Erbe an ihre Kinder. Kuttner war ein geachteter Mitbürger. Der Schriftsteller Eduard Stemplinger rühmt an ihm "den unverwüstlichen Humor, die liebenswürdigen Umgangsformen und die gesellschaftlichen Talente."13) Der Nachfolger Alfred Schillinger hatte die Apotheke nur fünf Jahre in seinem Besitz. 1877 verkaufte er sie zum Preis von 41.000 Gulden an Franz Josef Salzberger.

Franz Josef Salzberger wurde 1841 als Sohn eines Königlich Bayerischen Revierförsters in Koppenwind bei Bamberg geboren. Schon in früher Jugend wurde er Doppelwaise. Das Gymnasium besuchte er in Bamberg, war danach Apothekenlehrling in Höchstadt an der Aisch und konditionierte an einer Apotheke in Nürnberg. Von 1888 bis 1905 übte er das Amt des Bürgermeisters aus. Er starb 1905. Die Apotheke ging an seinen Sohn Fritz, der sie von 1908 an selbst führte. Fritz Salzberger hatte in Steingaden, Zürich und Thun praktiziert und an der Universität Rostock sein Apothekerexamen abgelegt. Er spielte im gesellschaftlichen Leben Miesbachs eine tonangebende Rolle.

Auf seine Anregung hin entwarf der Münchner Professor Bernhard Blecker den Michaeisbrunnen. Als er am heutigen Stadtplatz am 29. August 1905 feierlich enthüllt wurde, hielt Salzberger in Offiziersuniform vor den Miesbachern und den geladenen Gästen eine flammende Ansprache. Salzberger war ein moderner Mensch. Als einer der ersten Miesbacher war er Autobesitzer. Mit seinem 40.000 Mark teuren Auto, Marke "Adler", fuhr er nicht nur in Oberbayern umher. Er wagte 1911 sogar eine Alpenüberquerung.

Ein großes Ereignis war der Ballonflug Salzbergers mit dem Fotographen Pöltl und dem Verleger Wilhelm Friedrich Mayr unter der Führung des Direktors Distier vom Deutschen Touringclub am 13. Mai 1913. Die vier Männer starteten trotz aller Warnungen der Wetterstation bei Wind und Nebel auf der Waitzinger Wiese. Sie verloren rasch die Herrschaft über den Ballon, wurden von starken Windböen abgetrieben und prallten schließlich an einen Felsenhang am Wendelstein. Die Seile rissen, der Ballon entschwebte, während der Korb sich in den Latschen verfing. Die vier Männer waren zum Glück unverletzt geblieben. Holzknechte schleppten den Korb mit dem alkoholischen Inhalt zum Wendelsteinhaus, wo man das Abenteuer ausgiebig begoss. Den um seinen Ballon jammernden "Aeronauten" tröstete Salzberger, indem er ihm versprach, die "Blaader" zu ersetzen. Der Ballon wurde bald darauf im Inntal gefunden und dem Eigentümer zugestellt.

Fritz Salzberger war jahrelang (1909-1925) Kolonnenführer der Freiwilligen Sanitätskolonne Miesbach und von 1912 bis 1919 - also über das Kriegsende und die Stadterhebung hinaus - Bürgermeister. Salzberger war ein Miesbacher Original, ein Urviech, Stammgast im "Bräustüberl", voller Schnurren und Witze, ein Liebhaber des Gerstensaftes, was ihm den Spitznamen "Bierhuber" einbrachte. Er traf sich oft mit seinen Freunden Ludwig Thoma, Dietrich Eckart und Klaus Eck. Eine Zeichnung von E. Kneiss hält fest, wie die drei bereits im Himmel weilenden Freunde den zuletzt verstorbenen Klaus Eck am überirdischen Stammtisch zum Kartenspiel empfangen. Fritz Salzberger war ein begeisterter Theaterspieler. Er übernahm mit Vorlieben Rollen aus Ludwig Thomas Bauernstücken. Je deftiger, um so besser. Er verstand sich bestens mit den Bauern, bei denen er anerkannt und beliebt war. Die von ihm hergestellten Tierarzneimittel fanden guten Absatz.

Nach Fritz Salzbergers Tod im Jahre 1925 schrieb Hans Maier in einem Nachruf über ihn. "Dieser bärenstarke Mann ist wirklich wie ein Baum gewesen, breit und hoch, schwarz und stämmig; in Südtirol, wo er so gerne weilte, haben sie geglaubt, der Andreas Hofer sei leibhaftig aufgestanden, nur noch wuchtiger und größer (...). Der Apotheker von Miesbach war im Winkel zwischen Isar und Inn die volkstümlichste Gestalt, ja er war ein vollkommenes Original, kein langweiliger Lappen (...). Unter 20 Grad Kälte hat er keinen Schneestrumpf über seinige sehnigen Knie gezogen, und eigentlich ist der das ganze Jahr nicht aus der Kurzen gekommen..."

Die Apotheke ging an seinen Sohn Franz, der sie an Georg Rötzer verpachtete und 1939 schließlich selbst übernahm. Rötzer, ein allseits beliebter Mann, starb hochbetagt 1978 im Haushamer Altersheim. Franz Salzberger (geb. 1907) wollte im Gegensatz zu seinem Vater und Großvater nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Er widmete sich ganz seiner Arbeit in der Apotheke. Das Haus ließ er von Grund auf restaurieren. Nachdem in der Nachkriegszeit zwei weitere Apotheken in Miesbach entstanden waren, nannte er seine, die bisher als "Apotheke in Miesbach" bekannt war, in "Alte Stadtapotheke" um. Jeden Samstag stellte sich im Apothekenhaus der Schriftsteller Dr. Eduard Stemplinger zum Frühstück und Zeitungslesen ein. Anschließend besuchte er mit Salzberger Bürgermeister Feichtner, wobei Probleme der Lokal- und Weltpolitik heiß diskutiert wurden. Franz Salzberger war sehr heimatverbunden. Er starb kinderlos im Jahre 1976, nachdem er am 1.2.1968 die Apotheke an Hans-Jürgen Schneider verpachtet hatte. Herr Schneider führte die Alte Stadtapotheke bis Ende 2001.

Im Jahr 2002 wurde die Apotheke von Dr. Friedrich Grasberger übernommen und in die Schlierseer Str. 1 ins "Haus der Gesundheit" verlegt.